Samstag, 19. August 2017

Formen einer Zwangsstörung, die mich nicht betreffen.

Einer Zwang, den ich wenig bis gar nicht spüre ist der Kontrollzwang - obwohl dieser Zwang zur zweitgrößten Gruppe der Zwangserkrankungen gehört. Jeder von uns kennt wahrscheinlich den Gedanken "Habe ich die Tür abgeschlossen?" - aus der Angst heraus, es könnte eingebrochen werden oder "Habe ich das Bügeleisen/den Herd ausgeschaltet?" - es könnte vielleicht ein Feuer entstehen. In einigen Reportagen habe ich gesehen, dass die Betroffenen teilweise sogar Stunden damit verbringen, zu überprüfen, ob sie beispielsweise den Herd wirklich ausgeschaltet haben. Das schlimme an diesem Zwang ist, dass sich auch nach wiederholtem Überprüfen nicht das Gefühl einstellt, dass alles in Ordnung ist -  sie stehen also vor der verschlossenen Tür oder dem ausgeschalteten Herd- aber sie trauen ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr. Sobald sie vor der Haustür stehen, melden sich die nagenden Gedanken erneut.

Um die Runde komplett zu machen, stelle ich jetzt noch so kurz wie möglich die letzten bekannten Formen der Zwangsstörungen vor - mit denen ich aber bisher noch keine Erfahrungen gemacht habe - also entschuldigt mich, wenn ich etwas nicht absolut richtig wieder gebe.

Bei einem so genannten Sammelzwang haben die Betroffenen davor Angst, etwas für sie Wertvolles oder Wichtiges versehentlich wegzuwerfen - man könne es ja irgendwann einmal gebrauchen. Hier können sie nur schwer zwischen wichtigen Erinnerungsstücken und wertlosem Müll unterscheiden. In den Medien sieht man sehr häufig wie "zugemüllt" die Wohnungen der Menschen sind, meistens sogar so schlimm, dass man dort nicht mal mehr einen Fuß vor den anderen setzen kann, "ohne Tetris spielen zu müssen". Aktuellen Schätzungen zufolge leben in Deutschland rund zwei Millionen Menschen, die unter dem auch genannten Messie-Syndrom leiden.

Das Extrem in die andere Richtung ist der sogenannte Ordnungszwang - bei welchem Ordnung und Symmetrie die Hauptrollen spielen. Die Betroffenen ordnen die Dinge des täglichen Lebens nach ihren eigenen, meist sehr strengen Regeln und werden unruhig, wenn ihr System aus irgendeinem Grund durcheinander gebracht wird. Auch hier verbringt der Zwangserkrankte sogar Stunden damit, Gegenstände beispielsweise nach Größe, Farbe, etc. zu ordnen.

Bei einem Berührzwang unterliegt man dem Zwang, alle möglichen Dinge zu berühren. Gegenstände werden in einer gewissen Reihenfolge oder nach einer bestimmten Regel berührt, um dadurch das Eintreten von schlimmen oder beängstigenden Ereignissen zu verhindern. In manchen Fällen wird die Berührung von bestimmten Dingen konsequent vermieden.

Nicht immer werden kahle Stellen am Kopf durch Haarausfall verursacht. So reißen Menschen, die unter Trichotillomanie leiden, sich die Kopf- oder Körperhaare selbst aus. Der Begriff "Trichotillomanie" stammt aus dem Griechischen. Er setzt sich zusammen aus "Haar" (thrix), "Rupfen" (tillein) und "Wahnsinn" (Mania). Schätzungsweise leiden etwa 1,5 Millionen Menschen unter dieser Form der Zwangsstörung.

Bei den meisten Formen einer Zwangserkrankung spielen Gedanken eine große Rolle - eine Untergruppe der Betroffenen kämpft jedoch "nur" gegen eine Vielzahl aufdringlicher Gedanken - man spricht von Zwangsgedanken ohne Zwangshandlungen. Diese Gedanken haben meist aggressive, sexuelle oder religiöse Inhalte. "Ich könnte meine Kinder schlagen." - "Ich könnte die Frau, die gerade auf der anderen Straßenseite vorbei läuft, vergewaltigen." - "Ich könnte mich in der Kirche unangemessen verhalten." Die Betroffenen geben diesen Gedanken nicht nach, werden aber so sehr allein von dem Gedanken gequält, dass sie sich nicht mehr auf andere Dinge konzentrieren können. Diese Menschen kämpfen täglich mit der Angst, dass sie diese Gedanken irgendwann in die Tat umsetzen könnten - welche allerdings überwiegend unbegründet ist, da bislang noch kein Fall dieser Art bekannt worden ist.

(Quellen: http://www.paradisi.de/Health_und_Ernaehrung/Erkrankungen/Zwangsstoerungen, http://www.zwaenge.de/diagnose/zwangsstoerung_formen.htm, http://www.stern.de/tv/messie-syndrom-was-hinter-dem-sammelzwang-steckt-3531886.html)

Ich bin mir sicher, dass noch einige, vielleicht sogar derzeit "unbekannte" Formen der Zwangsstörungen existieren, welche ich hier nicht wiedergegeben habe. Gerne könnte ihr mir diese Formen mithilfe des Kommentarfeldes mitteilen.  

Ab dem nächsten Post startet das offizielle Tagebuch von mir. 

Habt ein schönes Wochenende.

Donnerstag, 17. August 2017

Wiederhol- und Zählzwänge

Die so genannten Wiederholzwänge bringen den Betroffenen dazu, ganz alltägliche Handlungen - wie beispielsweise Zähne putzen oder das Bettzeug aufschütteln - immer eine bestimmte Anzahl lang zu wiederholen. Solange die entsprechende Zahl nicht erreicht wurde, fühlt sich der Wiederholungszwängler unwohl und angespannt. Bei Zählzwängen verspürt der Zwangskranke den Drang, bestimmte Dinge wie Bücher im Regal, Pflastersteine oder Badezimmerfliesen immer wieder zu zählen. Die Betroffenen wissen selbst nicht, warum sie das tun müssen. Sie spüren aber, dass sie sich sonst sehr unwohl fühlen würden. Bei einem Nichteinhalten seiner Regeln befürchtet er, ihm selbst oder einer nahe stehenden Person könnte etwas Schlimmes zustoßen. 

(Quelle: www.zwaenge.de/diagnose/zwangsstoerung_formen.htm)

Auch diese Art der Zwangsstörung ist einer meiner täglichen Begleiter - welcher mindestens so weit ausgeprägt ist wie auch die Reinigungs- und Waschzwänge - wenn nicht sogar noch mehr. Grundsätzlich bilde ich meinen Zwang mit einer Kombination der Wiederhol- und Zählzwängen. Selbstverständlich gebe ich euch hierzu ein Beispiel - eine ganz alltägliche Prozedur meines Alltags. Prinzipiell zähle ich meine Schritte - dabei spielen die Zahlen eine sehr große Rolle. Jetzt wird es kompliziert... Die Zahlen 7 und 8 sind für mich positive Zahlen - dementgegen sind 6 und 9 negative Zahlen. Alle anderen Zahlen sind für mich okay - das kommt jedoch wieder auf die Kraft des Zwanges an. Gehen wir davon aus, ich komme in einen Raum und möchte mich auf die Couch setzen - ich muss es also schaffen, mit 7 oder 8 Schritten die Couch zu erreichen. Sollte ich die Couch mit 6 Schritten erreichen, füge ich noch einen Schritt hinzu. Sollte ich die Couch mit 9 erreichen, gehe ich entweder zur Türschwelle zurück und beginne erneut zu zählen oder ich füge noch 5 Schritte hinzu, somit bin ich bei 7*2 also 14. Auch hier bekomme ich genau die gleichen Gedanken in den Kopf wie auch in meinen vorherigen Posts erwähnt: Einen der Menschen, die du am liebsten hast, wirst du verlieren (weil er sich von dir abwendet/weil ihm etwas Schlimmes passiert). Wenn ich "draußen" unterwegs bin, zähle ich generell eigentlich nicht - vermutlich aus Angst, dass ich anderen Menschen auffallen könnte.

Zu dieser Art von Zwängen kann ich euch wesentlich mehrere Beispiele geben - diese folgen aber in den zukünftigen Post.

Ich möchte nochmal wiederholen, dass ich diese Zwänge mindestens genauso absurd finde, wie ihr wahrscheinlich - generell denke ich, dass es für Nicht-Zwängler auch nicht einfach nach zu vollziehen ist (was ich auf keinsten Fall erwarte!). Aus vielen Filmen kennen wir das Engelchen auf der einen Schulter und das Teufelchen auf der anderen - bei mir ist es nur ein kleines, fettes, echt hässliches Monster, dass mir einen einzigen Weg aufzeigt statt einen "lieben" und einen "bösen" Weg. Ob ich dann auf dieses Monster höre - und letztlich meinem Zwang nachgebe - oder ob ich dieses fette Monster vorerst von meiner Schulter geschubst bekomme, kommt ganz darauf an, wie hartnäckig es auf meiner Schulter sitzt.

Dienstag, 15. August 2017

Reinigungs- und Waschzwänge

Wie ihr bereits in meinem ersten Post lesen konntet, erlebte ich die Anfänge meiner Zwangsstörung mit einem Reinigungs- und Waschzwang. "Was passiert, wenn er dich verlässt, sowie es auch bei deiner ersten Beziehung war? Wasch' deine Hände um dich von diesem Gedanken zu befreien und er wird bei dir bleiben." In meinem Fall versuchte ich, meine Gedanken "abzuwaschen" - auch heute noch ist dieser Zwang einer meiner ständigen Begleiter. Es drängen sich Gedanken auf, die ich als unangenehm empfinde, beispielsweise: "Einen der Menschen, die du am liebsten hast, wirst du verlieren (weil er sich von dir abwendet/weil ihm etwas Schlimmes passiert)." Auf solche Gedanken folgt mein Waschzwang - und ich "wasche den Gedanken ab". Häufig versuche ich stark zu bleiben und nicht nachzugeben. Manchmal wird dieser Zwang aber auch so hartnäckig, dass er meinen gesamten Körper "verunreinigt", ich duschen gehen muss, und dabei auch mal häufiger als einmal meinen Körper einseife und abdusche. Danach geht es mir gut.

Früher hatte ich eine unheimliche Angst vor Türklinken (es ist allseits bekannt, dass sich hier die Bakterien häufen) - nach jeder Berührung musste ich meine Hände waschen. Meistens habe ich die Türen dann mit dem Ellbogen oder sogar mit dem Fuß geöffnet, um mich nicht mit Bakterien oder Viren zu "verunreinigen". Diesen Zwang habe ich heute allerdings so gut wie gar nicht mehr.

Diese Verunreinigungsängste können sogar entstehen ohne dass der Zwangskranke die angstauslösenden Gegenstände berührt hat. Blutrückstände auf einer öffentlichen Toilette (und ja, Frauen sind manchmal wirklich Schweine!), und es drängen sich sofort Gedanken auf wie "Jetzt habe ich mich bestimmt infiziert." oder "Obwohl ich meine Hände mehrmals gewaschen habe, sind sie immer noch nicht sauber." Und ja, das klingt absolut absurd - das denke ich auch - nur kann ich diesem Zwang nur mit unglaublich viel Kraft entgegen wirken und manchmal reicht meine Kraft auch einfach nicht aus, und ich wasche mir zum 10.x die Hände.

Sonntag, 13. August 2017

But first, ...

Die offiziellen Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheiden bei Zwangsstörungen zwei Formen: Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Dabei erlebt der Patient seine Handlungen oft als Vorbeugung gegen ein eigentlich unwahrscheinliches Ereignis, das ihm Schaden bringen oder bei dem er selbst Unheil anrichten könnte. Das Ritual ist daraufhin ein wirkungsloser aber symbolischer Versuch, diese Gefahr abzuwenden.Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPP) beginnt die Erkrankung in der Regel in der Adoleszenz, oft begleitet von einem traumatischen Erlebnis.

(Quelle: http://www.bento.de/gefuehle/zwangsstoerung-betroffene-berichtet-vom-leben-mit-der-zwangserkrankung-2482

Ich, 24, leide an beiden Formen der Zwangsstörungen. Natürlich musste auch ich mich mit meiner Zwangsstörung auseinander setzen, um herauszufinden, wieso ich zu den etwas über 2 Prozent der gesamten Bevölkerung gehöre, die irgendwann im Leben unter ausgeprägten Zwängen leiden. Meiner Meinung nach liegt der Ursprung meiner Zwangsstörung im Verlust meines ersten Freundes, vor ungefähr 7 Jahren. Ich war etwas über ein Jahr mit ihm zusammen, als er mich dann nach unzähligen Fehlverhalten seinerseits abschoss. Bei meinem zweiten Freund entwickelte ich dann ein Verhalten, welches ich damals nicht als ein zwanghaftes Verhalten wahr nahm. Ich kann mich erinnern, dass ich im Bad stand, in den Spiegel sah, und sich auf einmal ein ganz bestimmter Gedanke aufdrängte: "Was passiert, wenn er dich verlässt, sowie es auch bei deiner ersten Beziehung war? Wasch' deine Hände um dich von diesem Gedanken zu befreien und er wird bei dir bleiben." Es war also ein Zwangsgedanke, auf den eine Zwangshandlung folgte. Nachdem ich meine Hände dann gewaschen hatte, ging es mir gut und ich ging aus dem Bad. Leider blieb es nicht bei diesem einmaligen Vorfall - der Gedanke zwängte sich mir immer wieder auf und wurde mit jedem einzelnen Händewaschen stärker. Erst als ich dann zuhause rund um die 20x meine Hände wusch und mein jüngerer Bruder mich im Bad ertappte und mich fragte, was ich für ein Problem habe, da die ganze Zeit der Wasserhahn lief und die Seife so gut wie leer war, ging ich beschämt aus dem Bad.

Anfang diesen Jahres ungefähr habe ich angefangen, über meine Zwänge zu sprechen - und habe gemerkt, dass es mir wirklich gut tut. Das ist der Grund, weswegen ich mich entschieden habe, darüber zu schreiben und ich wünsche mir, dass ich Menschen, die Tag für Tag den gleichen Kampf erleben wie ich, Mut machen kann.

Ich freue mich, euch von meinem Leben zu erzählen. Habt einen schönen Sonntag.